Auswahlkriterien zur Person

1920 in Köln geboren, erleidet die Anni Kerner als Jüdin in Deutschland nach 1933 antisemitische Übergriffe und Anfeindungen. Ehemalige Schulfreundinnen und die Lehrer wenden sich von ihr ab. Auch körperliche Angriffe bleiben nicht aus. Der Wechsel auf eine jüdische Schule erleichtert zwar den Schulalltag, kann die allgegenwärtige Verfolgung aber nicht ausblenden. Diese Lebensgeschichte stellt eindrucksvoll dar, wie weit die antisemitische Hetze selbst in private Lebensbereiche eindringt und der jüdischen Bevölkerung in Deutschland kaum Möglichkeiten gibt, sich den Anfeindungen zu entziehen. Es wird ein Augenmerk auf die alltägliche Verfolgung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in sämtlichen Bereichen der deutschen Gesellschaft geworfen.

Ferner lässt sich anhand ihrer Biographie exemplarisch die europaweite Dimension des Holocaust und der Verfolgung jüdischer Menschen darstellen. Nachdem die Familie Kerner im Jahre 1937 vor Verhaftung und Deportation aus Deutschland geflüchtet ist, beginnt die zweite Phase der Verfolgung. Bereits im belgischen Exil wird deutlich, dass diese weit über die Grenzen Deutschlands hinausgeht. Der Einmarsch der Wehrmacht im Jahr 1940 und die Vorbereitung der Deportation der belgischen Juden lassen ein sicheres Leben hier unmöglich werden. Unter größten Anstrengungen können sie erneut fliehen, werden jedoch in ihrem neuen Exil, der südfranzösischen Stadt Nizza, von der schrecklichen Wirklichkeit eingeholt. In Kooperation mit den Deutschen organisiert zunächst das französische Vichy-Regime, später die deutschen Besatzer die Verfolgung der Juden.

Neben dem nationalen Aspekt der Verfolgung, die im Laufe der 1930er Jahre ein Leben in Deutschland für Juden zunehmend schwieriger macht, lenkt diese Lebensgeschichte den Blick auf die internationale Dimension des Holocaust. Exemplarisch wird dargestellt, dass selbst eine Flucht nicht zwangsläufig Sicherheit bedeutet. Bürokratische Schwierigkeiten in den Einreiseländern, Kooperation zwischen verbündeten Ländern bei der Verfolgung und nicht zuletzt die vorrückende Wehrmacht verdeutlichen das wahre Ausmaß des Holocaust, der zwar von Deutschen ausging, aber ganz Europa betraf.