Auswahlkriterien zur Person

Die Biografien, die vom Aktiven Museum Südwestfalen im ersten Abschnitt zu diesem Projekt geliefert werden, haben vor allem zwei Gemeinsamkeiten: Es handelt sich um Biografien junger jüdischer Menschen, die alle einmal während ihres Lebens die Synagoge in Siegen betreten haben. Ihre Lebensläufe sind nicht spektakulär. Sie waren und wurden später in ihrem Leben nicht bekannt oder berühmt. Es sind also Geschichten der Menschen von nebenan, deren Religion jüdisch war (ist).

Bei der Auswahl der Biografien wurden zumeist Jugendliche ausgesucht, die den Nationalsozialismus überlebten. Leitgedanke ist hierbei, dass diese Biografien im Internet vor allem von jüngeren Menschen – vielfach noch Schülerinnen und Schüler – gelesen werden. Sie stehen altersmäßig den beschriebenen Kindern und Jugendlichen nahe. Ihnen soll damit zweierlei vermittelt werden:

Einmal belegen einige Biografien, dass es schon im jugendlichen Alter lebensrettend sein konnte, eigene Entscheidungen zu treffen. Dadurch erfahren sie, dass die auch heute in unserer Demokratie verbreitete Meinung „Wir können daran sowieso nichts ändern!“ falsch ist. Zum anderen erkennen sie anhand einiger Biografien, dass es selbst in einer Diktatur einen Handlungs- und Ermessensspielraum gab. Für die vom Regime verfolgten Menschen war dieser sicher gering. Die Mehrheit der Bevölkerung aber hatte auch in der Diktatur damals ein breiteres Spektrum an Verhaltensmöglichkeiten, wie heute viele Geschichten belegen. Dies soll die Jugendlichen ermutigen, ihre Zukunft aktiv und kreativ zu gestalten!

Käthe Stern lebt heute – im Jahr 2004 – in London. Sie ist 96 Jahre alt und von einer erstaunlichen geistigen Klarheit. An den Samstagen nimmt sie regelmäßig am Gottesdienst in der knapp 10 Minuten entfernt von ihrem Haus entfernt liegenden Middlesex New Synagogue teil. Montags hilft sie im Gemeindehaus beim Friendship Club, den Nachmittag für die Senioren der Gemeinde zu gestalten. Bevor Käthe Stern 1939 nach London fliehen konnte, lebte sie von 1908 bis 1935 in ihrer Geburtsstadt Siegen, anschließend jeweils 2 Jahre in Augsburg und Anröchte. Sie war die einzige von 7 Geschwistern des Kaufmanns Julius Stern und seiner Frau Paula, der die Flucht vor den Nazis gelang.

Der Großvater von Käthe Stern gründete 1884 die Synagogengemeinde Siegen und war mehr als 30 Jahre ihr Vorsitzender. Ihr Vater gehörte über viele Jahre dem Synagogenvorstand an.