Auswahlkriterien zur Person

Die Brüche der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert werden an Josef Angenforts Lebensgeschichte besonders deutlich. In der Weimarer Republik katholisch sozialisiert und im NS-Staat HJ-Junge und Wehrmachtssoldat, wird er erst in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zum überzeugten Kommunisten. In der BRD politisch verfolgt und in der DDR aufgenommen, muss Josef Angenfort mit der deutschen Wiedervereinigung seinen Lebenstraum begraben.

Bis zum Zeitpunkt seiner Kriegsgefangenschaft nimmt Josef Angenfort eher die Rolle eines Mitläufers ein. Er wird katholisch erzogen und seine Eltern stehen dem Nationalsozialismus skeptisch gegenüber. Aufgrund dessen entwickelt Josef Angenfort keinen engen Bezug zur NS-Ideologie. Dennoch sieht er es infolge der nationalsozialistischen Einflüsse durch die Schule und die HJ als selbstverständlich an, dem Ruf in die Wehrmacht zu folgen.

Josef Angenfort ist jedoch einer der wenigen deutschen Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft, bei denen die politische Schulungsarbeit der Sowjetunion erfolgreich ist. Während des Lageraufenthaltes nimmt er zwar wie die meisten Kriegsgefangenen an Veranstaltungen des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) teil, befasst sich aber zusätzlich mit marxistischer Literatur und der Ideologie des Sozialismus. Anders als in den Lebensgeschichten vieler Mitläufer erfolgt bei Josef Angenfort ein radikaler Bruch in der Weltanschauung. Durch die Teilnahme an antifaschistischen Lehrgängen findet er seine politische Überzeugung und wird zum Kommunisten. Er wird Mitglied des NKFD, spielt in ihm als einfacher Wehrmachtssoldat aber keine führende Rolle. Josef Angenfort gehört zu dem kleinen Teil sowjetischer Kriegsgefangener, der nach ihrer Rückkehr nach Westdeutschland in die KPD eintritt.

Von der Zeit der Gefangenschaft in Russland berichtet Josef Angenfort eher in positiver Weise. Im Gegensatz zu den Erzählungen anderer deutscher Soldaten erwähnt er keine physischen oder psychischen Repressalien wie Hunger, Misshandlungen oder Kälte. Details des Lageraufenthaltes lässt er in seinen Erzählungen insgesamt aber eher unbeachtet. Dies ist zwar für Erzählungen ehemaliger Wehrmachtssoldaten nicht unbedingt ungewöhnlich, mag in seinem Fall aber auch daran liegen, dass er die Verhältnisse rückblickend in besserer Erinnerung hat, als sie es tatsächlich waren, da die politische Wandlung in der Kriegsgefangenschaft für sein weiteres Leben eine große Bedeutung hatte.

In der Nachkriegszeit wird Josef Angenfort vor dem Hintergrund des Kalten Krieges aufgrund seiner Aktivitäten für die KPD politisch verfolgt. Er engagiert sich im Widerstand gegen die Westintegration und die Remilitarisierung. Als Landtagsabgeordneter der KPD und Leiter des Zentralbüros der FDJ bekleidet er recht hohe Positionen. Als die KPD 1956 für verfassungswidrig erklärt wird, ist er weiterhin für die nun illegale Organisation tätig. Somit gehört er nicht zu der Hälfte der Mitglieder, die seit 1948 bereits aus der Partei ausgetreten war. Für die aktiven KPD-Funktionäre der BRD ist das Exil in der DDR, in der sich Angenfort zwischen 1962 und 1968 aufhält, jedoch ebenso typisch wie seine Rückkehr in die BRD, die im Zeichen sozial-liberaler Ostpolitik möglich wird.

Ab 1968 nimmt Josef Angenfort als Mitarbeiter des Parteivorstandes der DKP und ab 1988 als Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes erneut gehobene Positionen ein.

Auch nach der deutschen Wiedervereinigung, die für den Kommunisten Angenfort eine schwere Niederlage darstellt, bleibt sich Angenfort treu. Sein weiteres Leben ist geprägt durch sein politisches Engagement gegen den Krieg und den Faschismus.

Im Kontext des Lebensgeschichtlichen Netzes nimmt Josef Angenfort die besondere Rolle eines Kommunisten und sehr politisch aktiven Menschen ein.