Machtergreifung in Solingen

Nach der Machtübernahme Hitlers veränderte sich auch das politische Klima in Solingen sehr schnell. Vor allem Kommunisten sahen sich zunehmend nationalsozialistischem Terror ausge-setzt, und durch willkürliche Beschlüsse erlangten die Nazis die absolute Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung.

Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 veränderte sich das politische Kräf-teverhältnis in Solingen binnen weniger Tage zugunsten der Nationalsozialisten. Zuvor hatten sie al-lein im Januar drei Ortsgruppen der NS-Frauenschaft (Dorp, Altstadt, Höhscheid) und eine Ortsgruppe der NSDAP (Dorp) gegründet – wohl auch deshalb, um ihr Stimmungstief vom Herbst 1932 zu über-winden. Am 10. Januar 1933 veranstaltete die NSDAP in Solingen eine große Kundgebung, in der sie scharfe Kritik an Bürgermeister Brisch übte.

Am Abend des 30. Januar 1933 fand in Solingen ein Fackelzug statt, an dem sich etwa 500 National-sozialisten beteiligten. Am Mühlenplatz versammelten sich die Teilnehmer, um Reden ihrer Führer anzuhören. Neben dem Kreisleiter Dr. Helmut Otto sprachen der Standartenführer Schönhoff und der Sturmführer Müller. Die Solinger Nationalsozialisten bereiteten sich darauf vor, die Herrschaft in der ganzen Stadt zu übernehmen. Als am 3. Februar 1933 die Gemeindevertretungen vom preussischen Staatsministerium aufgelöst wurden, standen für den 12. März 1933 Neuwahlen an, und in Solingen entbrannte der Wahlkampf. Ab Februar griffen SA-Männer immer offener und brutaler Kommunisten an und demonstrierten, dass sie sich als die neuen Herren und Machthaber fühlten. In ihrer Parteizei-tung „Bergischer Beobachter“ kündigten die Nationalsozialisten an, dass es nach der Wahl nicht bes-ser, sondern „mit eisernem Besen gekehrt“ werden würde.

Am 5. März 1933 wurde sowohl der Reichstag als auch der preußische Landtag neu gewählt, und bei beiden Wahlen erzielte die NSDAP große Erfolge in Solingen, auch wenn sie mit 39,3 bzw. 39,1% weit von einer absoluten Mehrheit entfernt blieb. Trotzdem veränderte das Ergebnis das politische Klima in Solingen erheblich. Öffnete der 30. Januar 1933 die Schleusen für den Nationalsozialismus, brachen nun die Dämme. Immer hemmungsloser wurde der Terror der SA, der sich nun nicht mehr nur gegen die Kommunisten, sondern auch gegen Sozialdemokraten und die Stadtverwaltung mit Oberbürger-meister Brisch an der Spitze richtete. Am 10. März 1933 ließ Kreisleiter Dr. Otto Brisch verhaften, und die Solinger Stadtverordnetenversammlung verlieh Adolf Hitler kurz darauf das Ehrenbürgerrecht.

Am 22. März 1933 bestimmte eine Verfügung des Regierungspräsidenten, dass die gewählten KPD-Stadtverordneten, da sie unter dem Verdacht des Hochverrats stünden, nicht mehr zu den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung eingeladen werden dürften. Damit erreichten die Nationalsozialis-ten eine absolute Mehrheit, und der Nationalsozialist Dr. Helmut Otto wurde zum Oberbürgermeister gewählt.

Neufurth, Bernd: Solingen 1929-1933. Eine Studie zur Auflösung der Weimarer Republik und der nationalsozialis-tischen Machtübernahme in einer Kommune, Sankt Augustin 1984.
Rosenthal, Heinz: Solingen, Geschichte einer Stadt. Aus der Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, Duisburg 1975.
Weingartz-Perschel, Karin: „Aber wir haben das überstanden. Wir wollten ja überleben.“ Solinger Frauen erinnern sich, Solingen 1996.