Pogrom ("Reichskristallnacht")

Auf dem traditionellen Treffen der NSDAP-Führerschaft in München erfahren Hitler und Goebbels vom Tod des deutschen Diplomaten Ernst von Rath, der in Paris von einem 17jährigen Juden, dessen Verwandte aus Deutschland vertrieben worden sind, angeschossen worden war. Goebbels hält eine Hetzrede, woraufhin die versammelten SA-Führer von München aus ihre Stäbe telefonisch anweisen, ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung durchzuführen.

In einem barbarischen Terrorakt werden reichsweit jüdische Einrichtungen, rund 7.000 Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger verwüstet und nach offiziellen Angaben 91 Menschen getötet. Die Zahl derer, die infolge von Leid und Schrecken umkommen, ist unbekannt. 26.000 Menschen werden in die Konzentrationslager in Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen eingewiesen, wo viele infolge der körperlichen und psychischen Schikanen umkommen. Die Propaganda versucht die Aktion, an der in erster Linie die SA, aber auch Angehörige der HJ und weiterer NS-Organisationen sind, als Ausdruck „spontaner Volkswut“ zu deklarieren. Zynisch und verharmlosend bezeichnet die gleichgeschaltete Presse den Pogrom wegen der ungezählten zerschlagenen Scheiben als „Kristallnacht“.

Den Ausschreitungen folgt eine Welle administrativer Maßnahmen zur weiteren Entrechtung der Juden: Zunächst wird verfügt, dass die der jüdischen Bevölkerung entstandenen Versicherungsschäden an das Deutsche Reich abzuführen sind. Außerdem wird den Juden in ihrer Gesamtheit als „Buße“ eine Zahlung von 1 Milliarde RM auferlegt. Schon am 12. November folgt für sie das Verbot, Theater zu besuchen, am 15. wird die Entfernung jüdischer Kinder aus den öffentlichen Schulen angeordnet.

Es folgen nun stetig weitere diskriminierende Maßnahmen und allen Beteiligten wird deutlich, dass an diesem Punkt das Ende des Zusammenlebens von Juden und Nicht-Juden in Deutschland erreicht ist. Flucht und Auswanderung sind nunmehr die einzigen Chancen, das eigene Leben und das der Angehörigen zu retten.

Benz/Graml/Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 679f. und Bedürftig: Lexikon III. Reich, S. 226