Ausreiseregelung 1938/39

Die Radikalisierung der antisemitischen Politik des NS-Regimes 1938 führte zur größten Auswanderungswelle der deutschen Juden seit 1933. Innerhalb eines Jahres emigrierten 33.000-40.000 Personen. 1939 waren es 75.000-80.000. Eine geregelte Auswanderung, wie sie zuvor durch die jüdischen Hilfsorganisationen hatte organisiert werden können, brach nun zusammen. Seit Herbst 1938 beherrschte die Stimmung "Rette sich wer kann" die Szene.

Die Emigration wurde durch die NS-Auswanderungspolitik erschwert, die bis 1941 zwar in ihren Grundzügen auf die Vertreibung der Juden ausgerichtet war, sich jedoch durch administrative und ökonomische Ausreisebarrieren auszeichnete. Hinzu kamen politische Hindernisse, die den Juden aus Deutschland (und später aus ganz Europa) von den potentiellen Aufnahmeländern in den Weg gelegt wurden.

Im Juli 1938 fand unter der Gastgeberschaft des amerikanischen Präsidenten in Evian eine internationale Konferenz statt, die den Problemen der jüdischen Auswanderung aus Deutschland gewidmet war. Es geschah jedoch nichts, was die Emigrationsmöglichkeiten der Juden aus Hitlers Machtbereich faktisch verbessert hätte.

Zusätzlich erschwert wurde die Auswanderung im Januar 1939, als im Reichsministerium des Innern eine "Reichszentrale für die jüdische Auswanderung" unter der Leitung Reinhard Heydrichs gebildet wurde. Das Berliner Zentralamt stellte nur unzureichend Geldmittel zur Verfügung und gab nur teilweise Devisen frei. Zur Beschleunigung der Auswanderung wurde deshalb Ende 1939 Adolf Eichmann, rigoroser Antreiber der Emigration in Österreich, nach Berlin geholt, bis am 23. Oktober 1941 unter dem neuen Kurs der NS-Vernichtungspolitik ein Auswanderungsverbot ausgesprochen wurde.

Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart 1997, S. 296-308
Juliane Wetzel, Auswanderung aus Deutschland, in: Wolfgang Benz (Hg.), Die Juden in Deutschland 1933-1945, 2. Aufl. München 1989, S. 425-431
Wolfgang Benz, Die jüdische Emigration, in: Claus Dieter Krohn (Hg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945, S. 5-15