Selbstentmachtung des Parlaments: Das Ermächtigungsgesetz

Mit Annahme des "Ermächtigungsgesetzes" gibt der Reichstag das Gesetzgebungsverfahren aus der Hand und beschließt so seine eigene Entmachtung.

Zwei Tage nach dem von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erfolgreich inszenierten "Tag von Potsdam" stimmt der Reichstag am 23. März 1933 über das von Reichskanzler Adolf Hitler vorgelegte "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" ab. Mit dem Gesetz soll die Regierung die Ermächtigung erlangen, ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat sowie ohne Gegenzeichnung des Reichspräsidenten Gesetze zu erlassen.

Für ein solches, die Weimarer Verfassung änderndes Ermächtigungsgesetz bedarf es einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments. Nach Hitlers taktisch bedingter Zusicherung einer kontrollierten Anwendung des Gesetzes sowie der Zusage, die Rechte der Verfassungsorgane, der Länder und der Kirche bewahren zu wollen, signalisierten die Parteien der bürgerlichen Mitte ihre Zustimmung. Mit 444 Stimmen der Regierungskoalition aus Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) sowie von Zentrum, Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutscher Staatspartei wird das Gesetz in namentlicher Abstimmung angenommen. Lediglich die 94 Abgeordneten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) lassen sich nicht von den Drohgebärden der im Reichstag aufmarschierten Sturmabteilung (SA) einschüchtern und stimmen gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. In seiner Reichstagsrede legt ihr Parteivorsitzender Otto Wels zuvor ein eindrucksvolles Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie ab.

An der Abstimmung nicht teilnehmen können die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ihre Mandate waren zuvor auf Basis der Reichstagsbrandverordnung bereits am 8. März 1933 annulliert worden.

Das zunächst auf vier Jahre verabschiedete Ermächtigungsgesetz wird 1937, 1939 sowie 1943 verlängert und bleibt so bis zum Ende des NS-Regimes im Mai 1945 rechtliche Grundlage deutscher Gesetzgebung.