Jüdisches Leben in Köln vor 1933

Das jüdische Leben Köln vor 1933 zeichnete sich durch große Vitalität und ausgeprägte Vielfalt aus.

Im Kaiserreich und der Weimarer Republik war die Kölner Synagogengemeinde die fünftgrößte Gemeinde des Deutschen Reichs. Die lebendige Großstadtgemeinde (1925: 16.000 Mitglieder) war in der Region nicht nur der Zahl nach führend, sondern auch in religiöser und intellektueller Hinsicht. Sie betreute vielfältige religiöse und soziale Einrichtungen, Friedhöfe und Schulen. Köln bildete ferner ein wichtiges Zentrum jüdischer Publizistik und des Zionismus.

Die Kölner Juden bildeten keineswegs eine sozial einheitliche Gruppierung. Das soziale Spektrum reichte vielmehr von einer deutlich hervortretenden Gruppe großbürgerlicher Bankiers- und Handelsfamilien über ein breites Bürgertum, dessen Angehörige vor allem im Handel und den freien akademischen Berufen tätig waren, bis hin zur Unterschicht, das sich aus Klein- und Kleinsthändlern, sowie Arbeitern und Erwerbslosen zusammensetzte. Dieser jüdischen Unterschicht gehörten überwiegend die sog. „Ostjuden“ an, also jene Immigranten, die seit den 1880er Jahren und besonders nachdem Ersten Weltkrieg aus Osteuropa zugewandert waren. Die Zuwanderer stellten 1925 etwa ein Viertel der jüdischen Bevölkerung Kölns.

Während sich die osteuropäischen Juden vorrangig im Viertel südlich des Neumarkts niederließen, bevorzugten die eingesessenen Kölner Juden die bessere Wohngegend rund um die Synagoge am Rathenauplatz. Religiös spaltete sich das Kölner Judentum in Liberale, Konservative und Orthodoxe, was 1908 zur Gründung der orthodoxen Austrittsgemeinde Adass Jeschurun geführt hatte. Auch in weltanschaulichen und politischen Fragen gab es große Differenzen. Im Gegensatz zu den Zionisten, die einen eigenen jüdischen Staat forderten, verstanden sich die Liberalen als Deutsche jüdischen Glaubens, die sich fest in der deutschen Gesellschaft verorteten. Die Mehrheit der eingesessenen deutschen Juden neigte dem Liberalismus zu; unter den osteuropäischen Juden fand der Zionismus mehr Zustimmung. Gerade das expandierende jüdische Vereinswesen die ganze Bandbreite dieser verschiedenen religiösen, politischen und gesellschaftlichen Strömungen des jüdischen Lebens in Köln vor 1933.

Nicola Wenge, Integration und Ausgrenzung in der städtischen Gesellschaft. Eine jüdisch-nichtjüdische Beziehungsgeschichte Kölns 1918-1933, Mainz 2005
NS-Dokumentationszentrum: Jüdisches Schicksal in Köln 1918-1945