Heil- und Pflegeanstalt Warstein
Die im Sauerland gelegene Heil- und Pflegeanstalt Warstein gehörte zu den sieben psychiatrischen Versorgungseinrichtungen des westfälischen Provinzialverbandes.
Die Anstalt war eine der ersten Masseneinrichtungen zur Unterbringung psychisch Kranker. Auf dem von 1904 bis 1910 erbauten Gelände der groß angelegten "Psychiatriestadt" befanden sich unter anderem 33 Krankengebäude für insgesamt 1.400 Patient/innen, zahlreiche Wohnhäuser und diverse Werkstätten.
Der Erste Weltkrieg, der alle ökonomischen und personellen Reserven für seine Zwecke mobilisierte, entzog auch der Heil- und Pflegeanstalt Warstein weitgehend die personelle und materielle Basis für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Die hohe Sterblichkeit, der schlechte Gesundheitszustand der Kranken und Einsparungen bei der personellen Betreung ließ die psychiatrische Einrichtung eher als "Siechenhaus" erscheinen.
Der Weimarer Sozialstaat verlangte ein verändertes medizinisch-therapeutisches Handeln in der Anstaltspsychiatrie. Doch machte die Anstalt bereits 1930 durch die Vertretung eugenischer Positionen von sich reden, als der dort angestellte Außenfürsorgearzt, Dr. Jost, forderte, bei den von ihm untersuchten Epilektikern "die Fortpflanzung nach Möglichkeit einzuschränken."
Diese menschenverachtende Psychiatrie auf der Grundlage erb- und rassenhygienischer Vorstellungen wurde jedoch erst im NS-Staat strukturell umgesetzt. Der neue Direktor Heinrich Petermann ließ bereits 1934 Zwangssterilisationen in der Anstalt durchführen. Darüber hinaus war die Einrichtung maßgeblich in die Erwachsenen-Euthanasie involviert. So war sie an der Verlegung jüdischer Patienten in Tötungsanstalten im September 1940 und an den allgemeinen Euthanasie-Transporten 1941 und 1943 führend beteiligt: Mit insgesamt 902 abtransportierten Kranken, die in der Vernichtungsanstalt Hadamar ermordet wurden, und einer Verlegungsquote von 39% nahm sie unter den Provinzialheilanstalten einen traurige Spitzenstellung ein.
Gegen diese Euthanasie-Praxis bildete sich in Warstein ein Oppositionskreis um den katholischen Anstaltspfarrer Dr. Lorenz Pieper. Als die ersten Transporte vorbereitet wurden, richtete er sich mit einem Brief an die Warsteiner Ärzte, seine Kollegen in den westfälischen Anstalten und die deutschen Bischöfe. Öffentlich angeprangert wurde die Anstalt auch durch den Bischof Clemens August Graf von Galen in seiner Predigt vom 3. August 1941 in der Lambertikirche in Münster. Es blieb nicht bei diesen verbalen Protesten. Mit Unterstützung der Schwestern wurde den Angehörigen geschrieben, sie möchten nach Warstein kommen. Bei einem Treffen wurde ihnen nahe gelegt, ihre Kranken aus der Anstalt zu nehmen. Doch konnten so nur etwa 4% der Patienten, die auf den Transportlisten standen, gerettet werden.
Ernst Klee, "Euthanasie" im NS-Staat. Die "Vernichtung unwerten Lebens", Frankfurt am Main 1986, S. 334 Bernd Walter, Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne. Geisteskrankenfürsorge in der Provinz Westfalen zwischen Kaiserreich und NS-Regime, Paderborn 1996
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