Auswanderung nach Belgien

Bis zur Eroberung Belgiens 1940 durch die Deutschen war Belgien ein Zufluchtsort für emigrierte deutsche Juden.

Nachdem im Mittelalter Juden aus dem Gebiet des heutigen Belgien vertrieben worden waren, siedelten sich ab dem 16. Jahrhundert wieder jüdische Gemeinden in Belgien an. Ab Anfang der 1920er Jahre wuchs die Zahl der belgischen Juden durch die Zuwanderung aus Ost- und Mitteleuropa. In den 30er Jahren flohen zahlreiche Juden aus dem Deutschen Reich nach Belgien.

1940 lebten in Belgien 66 000 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von 8,3 Millionen Einwohnern; doch nur ein Zehntel von ihnen besaß die belgische Staatsbürgerschaft. Etwa 20% der Juden, die kurz vor Kriegsbeginn in Belgien lebten, waren Deutsche.

Die großen jüdischen Gemeinden konzentrierte sich auf vier Städte: Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Charleroi. Unter den Schattierungen jüdischer politischer Meinungen waren die sozialistische Richtungen am stärksten, was zu einer engen Beziehung zwischen den Juden und der belgischen Linken führte.

Am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht Belgien; bis 1945 ermordeten die Nazis fast 29 000 Juden, 44% der gesamten jüdischen Bevölkerung.

Nach dem Krieg wollten die belgischen Behörden Juden, die vor dem Krieg keine belgischen Staatsbürger gewesen waren, nicht einreisen lassen. Schwierigkeiten gab es auch bei der Rückerstattung des enteigneten und geraubten jüdischen Eigentums.

Der Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden wurde vor allem von Juden in Angriff genommen, die nach der Befreiung aus dem Untergrund kamen. Doch nur in den Großstädten Antwerpen und Brüssel konnte in den ersten Nachkriegsjahren das jüdische Gemeindeleben wieder aufgenommen werden.

Enzyklopädie des Holocaust, S. 168-174