Auswanderung nach Frankreich

Frankreich war das Hauptziel jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Paris zu einem jüdisches Zentrum Frankreichs. Nach der Annexion Elsaß-Lothringens 1870 durch die Deutschen wanderten viele Juden aus dem Elsaß nach Frankreich aus. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts emigrierten Zehntausende vor allem osteuropäische Juden nach Paris.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 emigrierten Tausende jüdische Flüchtlinge nach Paris. 1939 lebten zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung Frankreichs in der Hauptstadt und bildeten eine bedeutende kulturelle Gemeinschaft. Im Sommer 1940 lebten 350 000 Juden in Frankreich; mehr als die Hälfte besaß keine französische Staatsbürgerschaft. Zehntausende jüdische Flüchtlinge aus Holland, Belgien, Luxemburg und dem Deutschen Reich hielten sich in Frankreich auf.

Im Juni 1940 eroberten die Deutschen Frankreich und teilten es in eine besetzte Zone (Nordfrankreich) und eine unbesetzte Zone (Südfrankreich) - das so genannte Vichy-Regime - auf, das eng mit den Nazis zusammen arbeitete. Nach der Besetzung der nördlichen Zone flohen etwa 100 000 Juden in die unbesetzte Zone und darüber hinaus nach Spanien oder in die Schweiz. In beiden Zonen begann jedoch sofort die Verfolgung vor allem ausländischer Juden. Nur der kleine, von italienischen Truppen besetzte Teil Frankreichs bot Schutz.
Die jüdische Zusammenarbeit und Selbsthilfe gestaltete sich aufgrund von Spannungen zwischen Eingewanderten und Einheimischen in den ersten Jahren als äußerst problematisch.

1942 begannen die Deportationen in den Osten. Etwa ein Fünftel der Juden des Landes wurde ermordet.

Nach dem Krieg war im Vergleich zur Situation anderer jüdischer Gemeinden in Europa die Lage der französischen Juden relativ gut. Die jüdische Gemeinde in Frankreich wurde rasch zu einer der größten in Europa. Mitte der 50er Jahre erfolgte noch einmal eine Belebung durch die Einwanderung von Juden aus Nordafrika.

Enzyklopädie des Holocaust, S. 482-495