„Ich habe alles Deutsche gehasst“

Henry Beissel wächst im nationalsozialistischen Deutschland auf. Bereits in jungen Jahren dem Regime gegenüber kritisch eingestellt, erfährt er nach 1945 – inzwischen Dolmetscher für die Alliierten - das wahre Ausmaß der deutschen Verbrechen. Abgestoßen vom gesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit kehrt er seinem Heimatland den Rücken und wandert nach Kanada aus.

Henry Beissel wird am 12. April 1929 in Köln-Mülheim geboren. Gemäß der NS-Doktrin tritt er mit zehn Jahren in das „Deutsche Jungvolk“ ein. Henry Beissel hält sich allerdings so weit wie möglich aus deren Aktivitäten heraus. Die Uniformen und das militärische Auftreten stoßen ihn ebenso ab wie der nationalsozialistische Fahnenkult. In der „gleichgeschalteten“ Gesellschaft bleibt Henry ein Außenseiter.

Im Krieg erlebt er im Lager der „Kinderlandverschickung“ Schikanen der HJ-Führung, die ihn in seiner Ablehnung bestätigen. Im November 1944 und noch kurz vor Kriegsende im Mai 1945 erhält Henry Beissel Stellungsbefehle der Wehrmacht im Rahmen des so genannten „Volkssturms“. In der Überzeugung für dieses Regime nicht sein Leben lassen zu wollen, desertiert er. Die anrückenden Alliierten bewahren ihn vor einer möglichen Verurteilung vor einem Militärgericht.

Nach Kriegsende arbeitet Henry Beissel zunächst als Dolmetscher für die Alliierten in Köln und Hamburg. Er erfährt zunehmende Details über die deutschen Verbrechen. Abgestoßen von den gesellschaftlichen Tendenzen zur Verdrängung der Vergangenheit wandert Henry Beissel nach einem Studium in England 1951 nach Kanada aus und schlägt hier eine akademische Laufbahn ein. Ein zeitweiliger Aufenthalt in Deutschland Anfang der 1960er Jahre bestätigt ihn in seiner Überzeugung, die deutsche Gesellschaft sei von Grund auf nazistisch.

Im Jahr 2002 wird er während eines erneuten Aufenthaltes in Deutschland im NS-Dokumentationszentrum in Köln als Zeitzeuge interviewt. Durch einen langwierigen Prozess der Auseinanderstzung mit der Vergangenheit ist die strikte Ablehnung allmählich differenzierteren Positionen gegenüber der deutschen Gesellschaft gewichen.

Henry Beissel lebt heute (2006) in Kanada.