Inflation und Hungerunruhen in Rösrath

Im Herbst 1923 gab es faktisch keine deutsche Währung mehr. Städte und Gemeinden, aber auch zahlreiche Unternehmen druckten so genanntes Notgeld, das durch keine Gegenwerte gedeckt war und daher für den Empfänger innerhalb kürzester Zeit wertlos wurde. Auch die Gemeinde Rösrath, die Firma Gebrüder Reusch und die Bergwerksgesellschaft des Altenbergs gaben Notgeld heraus. Die Preise erreichten absurde Höhen. Nach einer Verordnung des Vorsitzenden des Kreisausschusses des Kreises Mülheim vom 26. Oktober 1923 konnten Bäcker für ein 3,5pfündiges Schwarzbrot 7,06 Milliarden Mark und für die gleiche Menge Graubrot sogar 8,4 Milliarden Mark verlangen. Die Bensberger Volkszeitung, die auch von den katholischen Einwohnern in Rösrath viel gelesen wurde, erhöhte in der ersten Oktoberhälfte den Abonnementspreis von 50 auf 150 Millionen Mark je Woche. In der Woche vom 10. bis 16. Oktober betrug in Rösrath (Ortsklasse B) der Höchstsatz in der Erwerbslosenfürsorge für Männer über 21 Jahre jedoch nur 155 Millionen Mark.

Der freie Fall der Währung, die Streichung der staatlichen Zuschüsse zu Notstandsarbeiten und zunehmende Arbeitslosigkeit stürzten unzählige Menschen im Herbst 1923 in blanke Not, auf die insbesondere radikalisierte Erwerbslose in den Großstädten mit der Plünderung von Geschäften und Bauernhöfen reagierten. Am 25. Oktober 1923 raubten größere Gruppen von Kölner und Kalker Arbeitern auf dem Pannhof und Paffrather Hof bei Rösrath Sack weise Kartoffeln. Die Polizei war machtlos und hielt sich zurück. Auch die französische Besatzungsmacht griff nicht ein. Die Rösrather Bevölkerung war durch die Hungerkrawalle in der eigenen Gemeinde und im benachbarten Overath so verunsichert, dass Ende Oktober der Schulunterricht abgesagt wurde und Allerheiligen die Feiern in der katholischen Kirche und auf dem Friedhof ausfielen.

Johann Paul: Rösrath in der Weimarer Republik; in: Chronik der Gemeinde Rösrath 2, S. 303ff.