Reichstags- und Kommunalwahlen 1924

Die Reichstags- und Kommunalwahlen am 4. Mai 1924 standen unter den Nachwirkungen der schweren politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen des Jahres 1923. Die Rösrather Sozialdemokraten erlitten katastrophale Verluste. Sie erhielten nur noch 12,6 bzw. 17,0 Prozent der abgegebenen Stimmen. Gegenüber der Gemeinderatswahl von 1919 und der Reichstagswahl von 1920 büßten sie mehr als die Hälfte ihrer Wähler ein.

Zusätzlich zu den Wählern der inzwischen bedeutungslos gewordenen USPD wanderten im Mai 1924 auch viele bisherige sozialdemokratische Wähler, die über die zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition schwankende Haltung ihrer Partei im Reich enttäuscht waren, zu den Kommunisten ab. Die KPD zog nun mit 21,9 bzw. 20,4 Prozent an der SPD vorbei.

Schwere Verluste verzeichneten auch die Demokraten. Sie fielen bei der Reichstagswahl von 10,5 Prozent (1920) auf 5,1 Prozent (1924) zurück. Hingegen waren die Einbußen des Zentrums gering. Im Mai 1924 lag die Zentrumspartei mit 26,4 Prozent bei der Reichstagswahl bzw. 22,0 Prozent bei der Gemeinderatswahl nur um 0,6 bzw. 2,9 Prozent unter den Ergebnissen von 1919 bzw. 1920.

Ebenso wie am linken Wählerrand die radikale KPD im Mai 1924 der gemäßigten SPD viele Stimmen abnahm, so verbesserten sich auch im rechten Wählermilieu extremistische Parteien auf Kosten gemäßigt konservativer Parteien. Die Deutschnationalen steigerten sich bei der Reichstagswahl von 4,3 im Jahre 1920 auf 10,9 Prozent im Mai 1924. Bei der Gemeinderatswahl von 1924 war die Wählerliste "Bürger heraus, keine Ausgabe ohne Deckung!" eindeutiger Gewinner. Sie erreichte 32,6 Prozent der Stimmen und hatte ihre Schwerpunkte in den protestantischen Ortsteilen Hoffnungsthal (40,1 Prozent) und Forsbach (35,6 Prozent). Diese Gruppierung vereinnahmte ganz offensichtlich einen großen Teil der bürgerlich-protestantischen Wähler, denen die Sozialpolitik des letzten Gemeinderats gegenüber den Wohnungssuchenden, Erwerbslosen und Notstandsarbeitern zu großzügig gewesen war.
Nach der Kommunalwahl von 1924 waren die linken und rechten Flügelgruppierungen im Gemeinderat stärker als die gemäßigten Parteien. Die "Bürger heraus"-Bewegung brachte es auf sechs und die KPD auf vier Mandate. Die SPD fiel von sieben auf drei und das Zentrum von fünf auf vier Gemeindeverordnete zurück. Ferner erhielt 1924 der Vereinigte Mittelstand einen Sitz.

Im Zeichen des allmählichen wirtschaftlichen Aufschwungs nahm die politische Anziehungskraft der Kommunisten und der nationalistischen Parteien spürbar ab, wie das Ergebnis der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 zeigt. In Rösrath fiel die KPD nun auf 13,3 Prozent der Stimmen zurück und verlor wieder zahlreiche Wähler an die SPD, die ihr Ergebnis auf 22,0 Prozent verbessern konnte. Auch das Zentrum verbuchte einen starken Zuwachs und erreichte mit 30,6 Prozent sogar sein bestes Resultat in Rösrath während der Weimarer Republik. Die DNVP nahm jedoch nur geringfügig auf 9,4 Prozent ab. Sie profitierte von den Verlusten der noch weiter rechts stehenden Parteien, die im Mai 1924 in Gestalt der Deutsch-sozialen Partei und des Völkisch-sozialen Blocks zusammen 3,8 Prozent der Stimmen erhalten hatten. Bei der ebenfalls am 7. Dezember 1924 stattfindenden preußischen Landtagswahl kandidierte in Rösrath erstmals die seinerzeit führerlose NSDAP (Hitler saß nach dem gescheiterten Putsch vom 9. November 1923 noch bis zum 20. Dezember 1924 in Landsberg in Festungshaft). Sie brachte es nur auf unbedeutende 0,8 Prozent der Stimmen (=18 Wähler). Noch konnten die etablierten Rechtsparteien DVP und DNVP mit zusammen 24,5 Prozent den größten Teil der bürgerlichen Wähler, die die Weimarer Republik ablehnten und eine Wiedererrichtung der Monarchie herbeisehnten, an sich binden.

Johann Paul: Rösrath in der Weimarer Republik; in: Chronik der Gemeinde Rösrath 2, S. 303ff.