Machtübernahme in Rösrath

In Rösrath wurde die nationalsozialistische "Machtergreifung" von vielen Zeitgenossen als Aufbruch aus dem Zustand einer lähmenden Depression empfunden. Nicht selten war damit die Hoffnung auf eine Rückkehr in die vermeintlich gute alte Zeit vor 1914 verbunden. Einträchtig hingen bei der Gemeinderatssitzung am 31. März 1933 die "schwarz-weiß-roten Farben der Tradition und das Hakenkreuzbanner als Symbol des neuen Deutschlands" nebeneinander. Bürgermeister Steinsträßer bat den neuen Gemeinderat, in dem die Nationalsozialisten die absolute Mehrheit besaßen, "ein dreifaches Heil auf den Reichspräsidenten von Hindenburg und den Volkskanzler Adolf Hitler auszubringen". Der Fraktionsvorsitzende der NSDAP versuchte anschließend, die Erinnerung an die Weimarer Republik auszulöschen, als er davon sprach, die "Toten des Weltkrieges" seien "nicht für ein Deutschland von 1919 bis 1932 gestorben, sondern für eine Nation der Einheit und Größe".

Unermüdlich schlachteten die Nationalsozialisten die traumatische Erinnerung an die Geburt der Weimarer Republik aus Kriegsniederlage, Revolution und Versailler Friedensvertrag aus. Sie wussten, dass die Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit in weiten Kreisen der Bevölkerung unverarbeitet geblieben waren und die gegen die Demokratie und das Ausland bestehenden Ressentiments für das NS-Regime nutzbar gemacht werden konnten. So gedachten die Rösrather Schulen am 28. Juni 1933, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen Deutschland und den Alliierten, "in gebührender Weise des schmählichen Diktats von Versailles". "Es wurde halbmast geflaggt", notierte der Chronist der katholischen Volksschule Rösrath. Seine abschätzigen Bemerkungen lassen vermuten, dass er ebenso wie viele andere an dem in Deutschland verbreiteten revanchistischen Versailles-Syndrom litt.

Johann Paul: Rösrath in der Weimarer Republik; in: Chronik der Gemeinde Rösrath 2, S. 303ff.