Pogrom in Krefeld

Das Novemberpogrom 1938 dauerte in Krefeld und seinen Stadtteilen mehrere Tage. Zerstört wurden die Synagogen und Bethäuser in der Stadtmitte, in Linn, in Uerdingen und in Hüls, das Gemeindehaus am Bleichpfad sowie der jüdische Sportplatz im Nordbezirk. Darüberhinaus wurden zahlreiche Geschäfte demoliert, Wohnungen und Häuser beschädigt, Menschen misshandelt, jüdische Männer verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Es gab ein Todesopfer: Karl Merländer starb in Folge eines Herzanfalls, den er erlitten hatte, als er gezwungen wurde Turnübungen zu machen.

Während in München die zentrale Veranstaltung zum 9. November 1923 (Putschversuch der Nationalsozialisten in Bayern) stattfand, veranstaltete der Kreisverband der NSDAP in Krefeld einen mehrtägigen Kreisparteitag mit Eintopfessen auf dem Theaterplatz (damals Platz der SA) und Einweihung der Sportanlagen der Deutschen Edelstahlwerke in Anwesenheit von Dr. Rovert Ley, dem Chef der Deutschen Arbeitsfront. Es ist davon auszugehen, dass dieselben Personen, die insbesondere in der Nacht vom 9. auf den 10. November die Synagogen anzündeten und jüdische Menschen in Angst und Schrecken versetzen, tagsüber in SA-Uniformen durch die Stadt marschierten. Die Organisation des Pogroms wurde dadurch vereinfacht, dass man am 9./10.11 1938 noch in der Stadtschenke beisammensaß, als aus München die Anweisungen eintrafen. An der Brandstiftung der Synagoge in der Stadtmitte beteiligte sich Kreisleiter Diestelkamp persönlich. Der für Polizei und Feuerwehr zuständige Dezernet Dr. Hürter beaufsichtigte als SA-Führer seine Männer. Soweit sie sich nicht aktiv am Geschehen beteiligten, gab er ihnen die Anweisung nur dort einzugreifen, wo nicht-jüdisches Eigentum in Gefahr war. Die Synagoge in Linn wurde von ortsansässigen Männern in Brand gesteckt, während man in Hüls und einen Tag später in Uerdingen Rücksicht auf die angrenzenden Häuser nehmen musste. In Uerdingen stapelte eine Betriebsgruppe das Inventar des Bethauses auf dem Marktplatz und verbrannte es an Ort und Stelle.

Insbesondere bei den Überfällen auf jüdische Wohnungen kam es nicht nur zur Zerstörung des Mobiliars, sondern auch zu Mißhandlungen und Plünderungen. Jüdische Männer wurden am nächsten Tag verhaftet und in einem Sammeltransport nach Dachau gebracht. Nachdem die Juden der Stadt einige Tage als Vogelfreie behandelt worden waren, gelang es nur mit Polizeigewalt, die Übergriffe zu stoppen. Tatsächlich wurde auch gegen SA-Leute vorgegangen, die das Signal zum Aufhören verpasst hatten.

Das Pogrom war in Krefeld wenig populär. Die Reaktionen reichten von einem Unbehagen wegen der Zerstörung religiöser Gegenstände und Gebäude (vor allem bei der katholischen Bevölkerungsmehrheit), über ein Murren wegen der zerstörten Werte bis zur heimlichen Hilfe: Es gab Fälle, in denen bedrohten Menschen heimlich Zuflucht gewährt wurde.

Dieter Hangebruch, Emigriert - deportiert, in: Krefelder Juden, Bonn 1980;
Juden in der Zeit des Nationalsozialismus, Krefeld 1988