Pogrom in Siegen

Am Morgen des 9. November 1938 wurden in Stadt und Kreis Siegen alle jüdischen Männer verhaftet und in das Gefängnis der Stadt eingeliefert, das sich damals im Rathaus befand. Am nächsten Tag hörten sie dort von den Polizisten, dass die Synagoge brenne.

Während die meisten Synagogen in Deutschland in der Nacht vom 9. auf den 10. November befehlsgemäß zerstört werden, überdauert das jüdische Gotteshaus diese nacht. Grund hierfür ist, dass der SS-Hauptsturmführer Heinrich Lumpe erst seit wenigen Wochen in Siegen ist. Als er den Befehl zum Niederbrennen des Gebäudes bekommt, unternimmt er nichts, da ihm die Existenz einer Synagoge in Siegen nicht bekannt ist. Am folgenden Tag erhält er einen Anruf seines Vorgesetzten – SS-Standartenführer Florstedt in Kassel -, der die Untätigkeit Lumpes beanstandet. Dieser befiehlt daraufhin etwa ein Dutzend Männer von SS und SA sich in der Mittagspause vor der Synagoge am Obergraben einzufinden. Die Männer dringen in das Gebäude ein, errichten mit dem Mobiliar einen Scheiterhaufen im Inneren, gießen Benzin darüber und setzen so das Gotteshaus in Brand.

Der Hausmeister Meyer und seine Familie werden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Die Feuerwehr beschränkt sich darauf, die umliegenden Gebäude, hier vor allem das städtische Krankenhaus, mit Wasser abzukühlen. Dennoch zerbersten einige Fensterscheiben. Viele hundert Menschen sehen beim Brand der Synagoge gegen 13 Uhr zu. Der im Nachbarhaus praktizierende Arzt Dr. Stiebeling öffnet das Fenster und schreit hinaus: „Was macht ihr denn da für eine Schweinerei?“

Die Synagoge brennt nieder. Die Ruine wird im folgenden Jahr abgerissen. 1940 wird auf den Grundmauern der zerstörten Synagoge ein Luftschutzbunker errichtet, der noch heute dort steht. Seit 1964 werden alljährlich von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit am Platz der ehemaligen Synagoge am 9. November Gedenkveranstaltungen durchgeführt. Seit 1996 befindet sich auf der unteren Etage des Bunkers das Aktive Museum Südwestfalen (www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/siegen). In diesem Museum wird die Geschichte der Juden in Stadt und Kreis Siegen-Wittgenstein dokumentiert sowie die Verfolgung anderer Opfer des NS-Systems.

Am 26.10.1948 verurteilt das Landgericht in Siegen die Brandstifter von 1938, so sie den Weltkrieg überlebt haben. Die Anklage lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Brandstiftung. Der Hauptangeklagte Lehrer a.D. Heinrich Lumpe aus Borken erhält als Anstifter die höchste Strafe: Ein Jahr und zwei Monate Gefängnis.