Auswahlkriterien zur Person

„Een witte raab onder de gruenen“ – ein weißer Raben unter den „Grünen“, als solchen kennen die Niederländer Joseph Henneböhl. Als „Grüne“ bezeichnen sie nach der Farbe ihrer Uniform die deutsche Ordnungspolizei, deren Einheiten zwischen 1940 und 1945 das Rückgrat des Besatzungsregimes bilden. Die deutschen Polizisten sollen sicherstellen, dass die wirtschaftliche Kraft der Niederlande dem Dritten Reich uneingeschränkt zur Verfügung steht. Sie leiten die niederländische Polizei an, unterdrücken Widerstandsregungen und kontrollieren den Alltag der Bevölkerung. Auch übernehmen deutsche Polizeikräfte eine wichtige Rolle bei der Deportation von Juden und Zwangsarbeitern aus den Niederlanden.
In individueller Weise durchbricht Henneböhl diese polizeilichen Handlungsmuster und hilft den Menschen, wo es ihm möglich scheint. Somit fällt er aus der Rolle des Täters heraus – sein Beispiel zeigt, welche Möglichkeiten abweichendes Verhalten haben kann, aber auch an welche Grenzen solcher Eigensinn stößt. Die Karriere des ehemaligen Krankenpflegers aus Münster vom renitenten Bahnschutzmann zum mitfühlenden Besatzer ist außergewöhnlich und darum bemerkenswert. Ausnahmsweise lassen sich anhand seiner Person auf der Täterseite Handlungen nachweisen, die Sand in das Getriebe des Besatzungs-, Unterdrückungs- und Vernichtungsapparates streuen. Deren tatsächlicher Umfang und ihre Bedeutung bleiben aber im Dunkeln.

Ebenso interessant wie ungewöhnlich sind Henneböhls Bemühungen, nach dem Krieg in den Niederlanden Fuß zu fassen: Er versucht, diesen Schritt zu rechtfertigen und abzusichern, indem er 1950 seine Memoiren veröffentlicht. Es bleibt aber letztendlich fraglich, ob es Henneböhl trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit und der Ehrungen, die ihm im Laufe der Zeit zuteil werden, wirklich gelungen ist, in Anbetracht des gespannten deutsch-holländischen Verhältnisses die Anerkennung der Niederländer zu finden, die er sich erhofft hat.