Auswahlkriterien zur Quelle

Ich halte die Aussagen meines Großvaters für authentisch. Sie ermöglichen dem Leser die Vorstellung des damaligen Alltages vor und im speziellen während des Krieges. Die Aussagen und Meinungen von Augenzeugen sind selbstverständlich stets kritisch zu hinterfragen, aber ohne Schilderung dieser Eindrücke ist eine lückenlose Darstellung und wahrheitsgemäße Niederschrift der Geschichte undenkbar. Das Projekt „lebensgeschichten.net“ hat meiner Meinung nach nicht die Intention einer historisch allumfassenden Aufzeichnung der NS-Zeit, sondern möchte der Geschichte Namen und Erzählungen entlocken, die in keiner Enzyklopädie zu finden, für das Verständnis der Funktionsweise eines totalitären Regimes aber unverzichtbar sind.

In naher Zukunft sind solche Berichte der betroffenen Jahrgänge für immer verloren. Die Geschichtswissenschaft hat es bisher versäumt, die gelebte Wirklichkeit dieser Zeit eingehender zu erforschen; angesichts des hohen Alters der wenigen Überlebenden wird es Zeit, das – soweit noch möglich - nachzuholen. Ich halte das für umso notwendiger, als meines Erachtens die Geschichtswahrnehmung der Bevölkerung, die in der Forschungsliteratur beschrieben und zusammengefasst ist, nicht immer den Zeitgeist widerspiegelt. –

Natürlich sei einem 91-Jährigen die eine oder andere Wissenslücke gewährt, die sich im Fall meines Großvaters in mehreren und intensiven Gesprächen meist geschlossen haben. In diesen intensiven Gesprächen mit ihm haben sich auch Disparitäten bei einzelnen Geschehnissen im Laufe der Zeit zu einem klaren Bild der Geschichte verwandelt.

Seine Rolle als Ehemann und Vater von zwei Kindern musste er bis 1945 wegen seiner militärischen Aufgabe zumeist zurückstellen, jedoch hat er aus heutiger Perspektive somit einen in einigen Punkten anderen Blickwinkel auf die Geschehnisse jener Zeit.